Lagerhaft

Das Sommersemester rückt näher und wir bei aeWorldwide stecken bis zum Hals in den Vorbereitungen für das Pilotprojekt. Denn pünktlich zu Beginn des neuen Semesters soll unser Tandemprogramm beginnen und das begleitende Tutorium angeboten werden. Mit der Universität Frankfurt ist der Gasthörerstatus für die Asylbewerber ausgehandelt und auch die Bibliothek darf von den internationalen Akademikern genutzt werden.

Bis zu diesem Punkt haben wir gewartet, bevor wir konkret Interessenten gesucht haben. Denn wir wollten niemandem vorschnell Hoffnungen und Versprechungen machen, die wir dann hinterher vielleicht nicht einhalten können.

Heute haben wir uns dann schließlich ins Auto gesetzt und sind zu einem Asylbewerberheim in der Nähe Frankfurts gefahren. Dort angekommen, erbat sich uns kein schöner Anblick. In alten, schlecht isolierten und sehr dunklen Containern, weit weg von anderen Wohngegenden, sind hier die Flüchtlinge untergebracht. Mitten in einem Industriegebiet. Um das Geländer ist ein hoher Zaun mit Stacheldraht gezogen.

Das Asylbewerberheim

Das Asylbewerberheim

Da wir uns brav an die Regeln halten wollten (die auf einem großen Schild am Eingangstor prangten), suchten wir das Verwaltungsbüros des Asylbewerberheimes auf. Auf dem Weg dorthin trafen wir schon einige Menschen, die uns freundlich begrüßten. Wir klopften an der Bürotür und traten ein. Innen schaute uns der zuständige Beamte grimmig an, während er Kopien für einen wartenden Asylbewerber machte. Wir stellten uns und unser Anliegen freundlich vor und baten den Mann, der sich uns nicht vorstellte, um Hilfe. Doch da waren wir wohl etwas naiv! Er raunzte uns an, ob wir denn das Schild nicht gesehen hätten. Wir wiesen ihn darauf hin, dass wir uns gerade an genau diese Regeln halten, denn schließlich stellten wir uns ja brav in der Verwaltung vor. Darauf wusste er dann zunächst nichts zu erwidern. Schließlich warf er uns mit dem Worten raus: „Woher soll ich denn wissen, wer hier studiert hat? Meldet Euch bei der Pressestelle des Kreises. Ich kann Euch nicht weiterhelfen.“ Während wir den Raum verließen, schrie der Beamte den anderen Herrn im Büro an. Der Wortlaut ging ungefähr so: „Dein Bus ist mir scheißegal! Das ist nicht mein Problem!“. Beschämt schaute der Asylbewerber in unsere Richtung.

Wir sind fassungslos über den Umgang mit Menschen und das Machtverhältnis, dass solche Verwaltungsangestellten aufbauen, um sich selber zu positionieren. Hier wird vollkommen vergessen, dass die Menschen, die bei uns ankommen, geflohen sind und ihr Leben hinter sich gelassen haben. Hier wird außen vor gelassen, dass es sich um Menschen mit einer Geschichte, mit Talenten, Potentialen, Ängsten und Charakteren handelt. Wir sind fassungslos!
Und was um alles in der Welt die Pressestellte des Kreises in diesem Fall für aeWorldwide tun kann, ist uns nach wie vor schleierhaft.

Doch natürlich ließen wir uns nicht so einfach abwimmeln, warteten vor dem Grundstück und sprachen vorbeigehende Menschen aus der Wohnanlage an. Wir erzählten ihnen von dem Projekt. Ein Mann empfahl uns, den Herrn in der Verwaltung zu bitten, Flyer von uns auszulegen. Als wir ihm sagten, dass der Mann nicht sehr kooperativ war, meinte der Asylbewerber: „Ach ja, das ist leider immer so. Auch andere Initiativen, die uns helfen wollten, wurden nicht zu uns gelassen.“

Wir verteilten trotzdem unsere Flyer. Und kaum zu Hause angekommen, warteten schon die ersten Mails von Interessenten auf aeWorldwide. Das einzig deutsche Wort, das geschrieben wurde, war das Wort „Lager“.